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Die Welt aus der Känguru-Perspektive

Meraner Stadtregierung: unmöglich?

Die ersten Wochen der Verhandlungen zur Bildung einer Stadtregierung in Meran sind vorbei. Die Parteien haben ihre Positionen ausgetauscht und ihre roten Linien gezogen. Ob noch rechtzeitig vor dem 3. November eine Einigung erfolgt, steht derzeit in den Sternen. Wo stehen die Parteien im Moment? Eine Analyse.

Nachdem sich SVP, Alleanza per Merano und Civica Merano früh darauf festgelegt haben, nur gemeinsam in eine Regierung eintreten zu wollen, sind die Optionen für Bürgermeister Paul Rösch für eine Mehrheit im Meraner Gemeinderat relativ begrenzt. Eine „große Koalition“ scheint für alle Beteiligten prinzipiell zwar vorstellbar – und würde auch nicht an Kleinigkeiten wie der Rolle von Team K, Ökosozialen und PD scheitern, zu denen man sich bestimmt einigen würde.

Doch das zentrale Problem in dieser Konstellation ist die gesetzliche Regelung zur Besetzung der Stadtratsposten gemäß dem ethnischen Verhältnis im Gemeinderat. Nur drei Ausschussmitglieder dürfen in dieser Amtsperiode deutschsprachig sein – neben Rösch selbst bleiben also nur zwei weitere „deutschsprachige“ Plätze frei: zu wenig, um alle Ansprüche zufrieden zu stellen.

Dass der Bürgermeister auf Madeleine Rohrer verzichtet, die mit Abstand meistgewählte Kandidatin für den Gemeinderat, käme nicht nur einem politischen Selbstmord gleich, sondern wäre auch der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln, wie die parteiübergreifenden Unterstützungsbekundungen für Rohrer in den letzten Tagen gezeigt haben. Doch genau das könnte dazu führen, dass Rösch keine Mehrheit zusammenbringt. 

Denn die SVP hat nun nur zwei Optionen: sich staatstragend geben und bis zu einer Aufstockung des Stadtrats nach der dafür nötigen Satzungsänderung nur mit einem Sitz im Stadtrat vertreten sein – eine äußerst bittere Pille für die stolze Volkspartei; oder mit der Forderung, Rohrer (vorerst) draußen zu lassen, Rösch zum Abbruch der Verhandlungen zu bringen – was wohl Neuwahlen zur Folge hätte.

Zurück zu den Urnen also?

Aufgrund der Coronakrise wären Neuwahlen und sechs Monate Stillstand ein denkbar schlechtes Ergebnis für die Stadt, darüber sind sich (fast) alle Parteien einig. Doch unabhängig davon stellt sich vor den letzten Verhandlungsrunden die Frage, wem ein neuer Urnengang am meisten schaden würde.  

Die Meraner SVP hat bei den Gemeindewahlen im September eine empfindliche Schlappe einstecken müssen. In der Folge sind ihr der Obmann des Stadtkomitees und vor allem der Spitzenkandidat abhanden gekommen. Sich angesichts der angekündigten Erneuerung kurzfristig für einen Wahlkampf neu aufzustellen, wäre eine Mammutaufgabe. Rösch und die italienischen Bürgerlisten hätten ihre Teams dagegen praktisch weiterhin beisammen, die nicht an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Rechtsparteien sowieso.

Dass zumindest Alleanza und Civica Neuwahlen gar nicht so schlimm fänden, zeigt auch ihr Verhalten in den Verhandlungen: Bis auf markige Ansagen halten sie sich bisher weitgehend zurück; von ihrer anfänglichen Position sind sie bisher nicht abgerückt. Mit dieser Kompromisslosigkeit vermeiden sie vorerst, dass interne Konflikte offen zu Tage treten: Wer würde bei einer Regierungsbeteiligung Vizebürgermeister? Dario Dal Medico von der Civica mit nur drei Sitzen im Gemeinderat oder der ambitionierte, langjährige Stadtrat Nerio Zaccaria, der neben fünf Sitzen im Rat auch auf das zweitbeste Vorzugstimmenergebnis nach Madeleine Rohrer verweisen kann? Und schließlich wäre ein neuer Urnengang auch eine Chance, im zweiten Anlauf doch noch Dal Medico in den Bürgermeistersessel zu hieven.

Solange öffentlich vor allem der Konflikt zwischen Rösch und der SVP thematisiert wird, könnten Alleanza und Civica bei Neuwahlen sogar der lachende Dritte sein. Zumindest solange niemand darüber redet, dass sie mit ihrer Verweigerungshaltung ebenso dazu beitragen, eine Regierungsbildung zu erschweren.

(als Gastbeitrag erschienen in der Tageszeitung “Dolomiten” vom 26.10.2020)