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Die Welt aus der Känguru-Perspektive

Wie viel sind Parteien wert?

Ohne Parteienfinanzierung durch die öffentliche Hand werden die Parteien zum Spielball derjenigen, die ihre politische Agenda mit viel Geld durchsetzen können.

Nach Jahren (oder Jahrzehnten?) der Exzesse, in denen viele Politiker (und wenige -innen) sich selbst scheinbar ohne große Widerstände hohe Aufwandsentschädigungen, Pensionen und Zulagen aller Art zugestanden haben, schlug das Pendel in Italien und in Südtirol in den letzten Jahren in die Gegenrichtung aus. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, die Politikkosten zu reduzieren, wurde auch die Parteienfinanzierung weitgehend abgeschafft: bereits 1993 die staatliche Parteienfinanzierung per Referendum, 2014 schrittweise bis 2017 die ersatzweise eingeführte Rückerstattung auf Wahlkampfkosten.

Die Parteien sind seither zur Finanzierung auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen. Die einzige weitere Möglichkeit bleibt die Zuweisung von zwei Promille über die Steuererklärung. Diese Option kann in Südtirol aber nur die SVP in Anspruch nehmen, weil ein Sitz im italienischen oder europäischen Parlament die Voraussetzung dafür ist. Die SVP hat 2019 dadurch immerhin 313.429 Euro eingenommen.

Zu teure Politik?

Noch ist der öffentliche Diskurs vom Gedanken geprägt, dass die Kosten der Politik hinausgeworfenes Geld und daher möglichst einzusparen sind – auch in Südtirol: Die Gehälter und Pensionen der Landtagsabgeordneten wurden in den letzten Jahren deutlich gekürzt, die Anzahl der Mitglieder in den Gemeindeausschüssen in allen Gemeinden der Region mit den Gemeindewahlen 2015 reduziert – und auch beim anstehenden Referendum zur Verkleinerung des italienischen Parlaments wagt es keine Südtiroler Partei, die Sinnhaftigkeit offen in Zweifel zu ziehen.

Einsparmaßnahmen sind an sich nicht schlecht. Wo eingespart werden muss, werden zumeist alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt und damit auch Verschwendungen, unzeitgemäße und ineffiziente Gewohnheiten und ungerechtfertigte Privilegien beseitigt. Doch ein vom allgemeinen Furor auf die Politik getriebener finanzieller Kahlschlag macht auch viel kaputt. Im Falle der Parteienfinanzierung leidet die politische Arbeit – und die Parteien werden abhängig von anderen Geldquellen.

Die Denkfabriken der Politik

Parteien haben ein schlechtes Image. Sie werden häufig mit Deals im Hinterzimmer verbunden, mit Vorzugsbehandlungen für Mitglieder, mit geheimen Machtzirkeln und Einflusssphären, die sich der öffentlichen Kontrolle entziehen. Das alles mag in den verschiedenen Parteien mehr oder weniger zutreffen. Ohne Zweifel haben die Parteien in einer repräsentativen Demokratie aber auch eine wichtige Funktion: Als Zusammenschlüsse politische Gleichgesinnter sind sie sozusagen die Denkfabriken der Politik, in denen politische Ideen entwickelt und Lösungsvorschläge für konkrete Probleme erarbeitet werden, die dann direkt in die Gesetzgebung oder in die politische Debatte einfließen. In Deutschland steht diese Funktion sogar im Grundgesetz. Im vielzitierten Artikel 21 heißt es dort: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“

Nun gibt es heute in der öffentlichen Arena sehr viele Mitspieler, die eine ähnliche Rolle einnehmen und ihre Anliegen, Forderungen und Reformvorschläge einbringen, um den politischen Prozess nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen: Forschungsinstitute und Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Vereinigungen – vom Unternehmerverband bis zum Umweltschutzbund vertreten sie alle eigene und durchaus legitime Interessen. Wie stark ihr Einfluss im Einzelnen ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, wie von ihrer Mitgliederzahl, ihrer Finanzkraft und ihrer Fähigkeit, ihre Positionen überzeugend darzulegen. 

Doch nicht selten wird der Politik der Vorwurf gemacht, dass sie sich zu sehr von Verbänden und Lobbys vereinnahmen lassen – und damit schlussendlich denen am meisten Gehör schenken, die zur Bewerbung und Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen im Feld der Politik am meisten Geld zur Verfügung haben.

Die neuen Vermarktungsmaschinen

Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die inhaltliche Arbeit in den Parteien auf ein Minimum reduziert wurde. Statt Denkfabriken sind viele Parteien zu Vermarktungsmaschinen geworden, die darauf ausgelegt sind, die eigene Marke und das eigene Personal im besten Licht darzustellen. Die Arbeit an den Inhalten ist häufig in den Hintergrund getreten. Im Zweifelsfall werden schon einmal Positionen oder Gesetzesentwürfe von „Einsagern“ der üblichen Interessensvertretungen übernommen. Doch die Think Tanks von heute sind fast alle von privaten Geldgebern finanziert und verfolgen im Zweifelsfall auch zunächst private Interessen.

Nun lässt sich nicht bestreiten, dass dieser Trend nicht zwangsläufig mit der fehlenden öffentlichen Finanzierung zu tun hat. Auch eine großzügige Parteienfinanzierung kann schließlich nicht garantieren, dass die Parteien das Geld sinnvoll und zur Entwicklung politischer Ideen einsetzen: Sebastian Kurz und seine Neue Volkspartei demonstrieren in Österreich eindrucksvoll, dass damit auch einfach nur die Vermarktungsmaschine noch weiter ausgebaut werden kann.

Qualität entsteht auch in der Politik nicht aus dem Nichts.

Dennoch gilt: Von nichts kommt nichts. Qualität entsteht auch in der Politik nicht aus dem Nichts. Um sinnvolle Reformen und Gesetzesvorschläge auszuarbeiten, braucht es Zeit und Ressourcen – und vor allem Menschen, die sich mit Themen und Problematiken intensiv auseinander setzen. Dazu gehören beispielsweise Recherchen zur Situation vor Ort (häufig mit einer Vielzahl von Betroffenen), Vergleiche mit ähnlichen Situationen im Ausland, die Suche nach Best-Practice-Beispielen, der internationale Austausch mit Fachleuten und nicht zuletzt auch die kommunikative Aufbereitung eines Vorhabens oder einer Maßnahme, um sie der Bevölkerung verständlich zu machen.

All das kostet nicht wenig Geld, führt unter dem Strich aber zu besseren Ergebnissen: zu besseren politischen Ideen und zu besseren Gesetzen, von denen alle Bürgerinnen und Bürger profitieren. Wie in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen ist es auch hier nicht immer ganz klar, welche Investition tatsächlich sinnvoll ist oder war und welche nichts eingebracht hat. Was hingegen klar ist: Parteien ohne das nötige Geld werden diese Investitionen überhaupt nicht vornehmen (können).

Parteienparadies Österreich

Apropos internationaler Vergleich: In Deutschland erhalten die Parteien Zuschüsse, die vor allem auf ihren Wahlergebnissen basieren: Grob gesagt sind es derzeit 0,83 Euro jährlich pro Wahl und Stimme. Insgesamt verteilte Deutschland im Jahr 2019 193,5 Mio. Euro an die Parteien: Das sind 2,33 Euro pro Einwohner.

Noch paradiesischer sind die Zustände in Österreich: Im Jahr 2018 haben die Parteien allein auf Bundesebene 61,6 Mio. Euro erhalten (6,92 €/EW), weitere Zuschüsse auf Landes- und kommunaler Ebene sind da noch nicht berücksichtigt. Umgerechnet auf Südtirol müssten den Parteien für ihre Arbeit fast vier Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um ein ähnliches Verhältnis zu erreichen.

Eine Untersuchung des International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) aus dem Jahr 2012 (S.10) zeigt, dass es in 68% der Länder weltweit eine direkte Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln gibt; in Europa sind es sogar 86% der Staaten. In 69% der Länder, vor allem in Afrika, gibt es stattdessen oder zusätzlich eine indirekte Parteienfinanzierung, indem den Parteien Sendezeit in den Rundfunkmedien, Büromaterialien oder die Postdienste kostenlos in einem bestimmten Umfang zur Verfügung stehen.

Die Kosten der Politik

Tatsächlich scheint sich auch in Südtirol langsam die Einsicht durchzusetzen, dass gute Politik nicht kostenlos zu haben ist. Kleine und gezielte Maßnahmen wie die Einführung einer Bürgermeister-Rente und -Abfertigung sowie eine kleine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen sind auch öffentlich durchsetzbar und sollen politische Arbeit wieder attraktiver machen.

Auch in Sachen Parteienfinanzierung kommt langsam Bewegung in eine festgefahrene und von Populismus dominierte Debatte. Südtirol muss sich ja nicht gleich das einstige Vaterland zum Vorbild nehmen. Doch eine maßvolle und vor allem transparente Parteienfinanzierung könnte der Qualität des politischen Diskurses langfristig gut tun und die viel gescholtene Abhängigkeit der Parteien vom Geld der Lobbys und reichen Wirtschaftsverbände verringern.